paradoks – an den Rändern des Dokumentarischen

Paradoks widmet sich dem Dokumentarischen und sucht nach Rezeptions- und Ausdrucksformen abseits des Kinosaals. Sechs internationale Positionen erweitern mit raumgreifenden Installationen, Performances und diskursiven Formaten den Blick auf das Medium Dokumentarfilm und auf die zwei Themenkomplexe EMPOWERMENT und PSYCHEDELIC ANTHROPOLOGY. Der Eintritt ist zu allen Orten und Veranstaltungen ist frei.

Ein Projekt der Filmischen Initiative Leipzig (FILZ) und GEGENkino Leipzig, in Kooperation mit der Cinémathèque Leipzig, der GfZK, der HBG Leipzig und dem WRO Art Center. Gefördert von der Kulturstiftung des Bundes und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, Kulturamt der Stadt Leipzig und Musikelectronic Geithain.

Laufzeit: 23.10.-14.11.2021

Screening im Rahmen von paradoks

Vor genau 6 Jahren verließ ein Boot mit Migrant*innen die Küste der West-Türkei in Richtung der griechischen Insel Lesbos. Veraltet und mit mehr als 300 Menschen übervoll sank es wenige Meter, nachdem es EU-Gewässer erreicht hat. PURPLE SEA erzählt von der Havarie aus der Binnenperspektive der Künstlerin und Filmemacherin Amel Alzakout, die sich auf dem Schiff befand und dessen Untergang sie mit einer an ihrem Handgelenk befestigten Kamera filmte.
Die Bilder, aus den Halt suchenden Bewegungen Alzakouts resultierend, zeigen vorbeiziehende Objekte und Körper, lose und getragene Kleidung, die Signalfarben der Schwimmwesten. Sie bieten kaum Orientierung beim Versuch das Geschehen als Außenstehende zu ordnen. Meer und Himmel werden ununterscheidbar, der Horizont ist im Lot. Die Rettung bleibt aus. Auf der Tonebene tritt neben die mal vom Wasser gedämpfte mal klare Geräuschkulisse der Katastrophe ein Off-Kommentar, in der sich die Regisseurin versucht an andere Orte zu retten, in andere Zeiten.

SHIPWRECK AT THE THRESHOLD OF EUROPE der Gruppe Forensic Architecture analysiert den Vorfall unter Rückgriff auf das Material, aus dem PURPLE SEA entstand, auf Wetterdaten, Satellitenaufnahmen und zusätzliche Bilder – produziert u.a. von der griechischen Küstenwache und dem Fotografen Richard Mosse, der das Ereignis zufällig mit einer hochauflösenden Wärmebild-Kamera aufnahm. Die Arbeit liefert eine präzise Rekonstruktion der Geschehnisse, bei denen mindestens 43 Menschen ihr Leben verloren und öffnet zudem den Blick auf übergeordnete Zusammenhänge der europäischen Grenzpolitik. Welche Beteiligte (NGOs, Schlepper, die europäische Grenzschutzagentur Frontex, Fischer) handelten unter welchen Voraussetzungen? Im Anschluss an das Tod bringende Unglück veröffentlichte Medienberichte, die Frontex und der griechischen Küstenwache eine erfolgreiche Rettungsaktion bescheinigten, werden kritisch gegengelesen – u.a. mit dem Resultat, dass die Politik der Abschottung bereits Monate bevor sie in einem Abkommen mit der Türkei festgeschrieben wurde, etablierte Praxis war.

Der Eintritt ist frei.

PURPLE SEA (D 2020, R: Amel Alzakout, Khaled Abdulwahed, 67′, OmeU) &
SHIPWRECK AT THE THRESHOLD OF EUROPE, LESVOS, AEGEAN SEA: 28 October 2015 (UK 2020, R: Forensic Architecture, 24′, engl. OV)
In Anwesenheit von Amel Alzakout und Christina Varvia (Forensic Architecture)

Screening im Rahmen von paradoks

Die Kurzfilmrolle besteht aus Videoarbeiten des Programms der 19. Medienkunst-Biennale, die das WRO Art Center in Wroclaw in diesem Jahr unter dem Titel REVERSO ausrichtet. Die WRO Media Art Biennale stellt das wichtigste Forum für neue Medienkunst in Polen dar und ist eine der führenden internationalen Kunstveranstaltungen Mitteleuropas.
Das Programm „Interspaces“ verbindet Vergangenheit und Zukunft menschlicher Lebensräume mit den sichtbaren und unsichtbaren Interferenzen zwischen Emotionalität, urbanen und globalen Strukturen. Jedes Werk erforscht in spezifischer Weise Zwischenräume innerhalb von Gebäuden, Städten, Inseln und anderen natürlichen Umgebungen und richtet den Blick der Betrachter:in auf die Phänomene, die unterhalb der Oberfläche des Offensichtlichen stattfinden. Die verborgenen oder ungesehenen Details, die Erinnerungen und Emotionen zugrunde liegen, sind die Spuren menschlicher und nicht-menschlicher Interaktionen, die in städtischen und bewohnten Räumen stattfinden. Die verbleibenden Nachbilder sind in der Tat mit bloßem Auge nicht zu erkennen.

Ruins in Reverse (UA, AT 2020, R: Olena Newkryta, 25′, OmeU)
Kopacabana (BR 2019, Khalil Charif, Marcos Bonisson, 13′, OmeU)
Trespassing (IT 2020, Francesca Fini, 14′, ohne Dialog)
Models for Environmental Literacy (US 2020, Tivon Rice, 36′, engl. OV)

Der Eintritt ist frei.

In Anwesenheit von Dagmara Domagała und Dominika Kluszczyk (WRO Art Center, Wrocław)