Das Verhältnis von Arbeit und Leben, Individuum und System steht im Zentrum der Einzelausstellung. Sung Tieus Installation Multiboy beruht auf ihrer Beschäftigung mit dem Anwerbeabkommen, das die DDR 1980 mit der Sozialistischen Republik Vietnam schloss. Dafür hat die Künstlerin in Archiven dokumentarisches Material recherchiert, das sie abstrahiert, anonymisiert und künstlerisch verfremdet in ihre Installation integriert und mit einem Klangelement kombiniert. Die Produkte, die die vietnamesischen Vertragsarbeiter*innen in den Volkseigenen Betrieben hergestellt haben, die Vertragsformulare und -konditionen, die Verzeichnisse der Einsatzbetriebe und ähnliche Quellen lassen Rückschlüsse auf ihre Arbeits- und Lebensumstände zu.
Zwei raumgreifende Skulpturen bilden das Zentrum der Ausstellung. In ihrem Inneren zeichnet sich eine sakrale Architektur ab. Durch die Wahl des Materials erzeugen die Skulpturen den Eindruck einer Schutzhülle, die zugleich an die Verschalung von Objekten und des Subjekts, der menschlichen Arbeitskraft als Ware, denken lässt. Mit diesem Sinnbild verweist die Künstlerin auch auf den privaten Raum der Vertragsarbeiter*innen in den Wohnheimen, in denen sie gemeinschaftlich untergebracht, damit aber auch sozial ausgeschlossen waren. Ihre Hoffnung auf ein besseres Leben in der DDR wurde nicht selten durch die Konfrontation mit der Realität der ostdeutschen Arbeitswelt und mit den Regeln, Sanktionen und der Kontrolle ihres Alltags gebrochen.