ars viva 2016

Vernetzung und Anschlussfähigkeit prägen soziale Kontakte wie nie zuvor. Das Streben nach Aufmerksamkeit lässt Informationen über Personen, Ereignisse oder Produkte durch unzählige Kanäle strömen. Dabei entstehen mitunter spiegelglatte Images, hinter deren Schauseite all das verborgen bleibt, was unsicher, heikel und verfänglich ist. In der medialen Allgegenwart bilden sich Leerstellen heraus: Identitäten ohne Substanz, Verbindungen ohne Verbundenheit.
Wie sich die Formatierungen des Ichs und die fortlaufende Anpassung von Erscheinungs- und Umgangsformen auf persönliche und professionelle Beziehungen auswirken, wird in der Ausstellung von Calla Henkel & Max Pitegoff, Flaka Haliti und Hanne Lippard verhandelt. Beeindruckend sachlich, poetisch und humorvoll setzen sich die Künstler*innen mit ihrer Rolle in ihrem sozialen, diskursiven und urbanen Umfeld auseinander. An der Schnittstelle von Subjektivität und Projektion nehmen sie Verschiebungen vor, um Fragen von Repräsentation, von Isolation und Nähe, Kapitulation und Widerständigkeit zu erörtern. Ihre Biografien bieten dabei wichtige Bezugspunkte, ohne jedoch zum eigentlichen Gegenstand der Arbeiten zu werden.

Die Fotografien und Objekte von Calla Henkel und Max Pitegoff gehen auf das von ihnen initiierte New Theater in Berlin zurück. Ähnlich wie schon die Times Bar zuvor, war auch das New Theater eine temporäre Institution, in der Möglichkeiten von Gemeinschaft und Interaktion erprobt wurden. Um ganz andere Formen des Zugangs und der Verschaltung geht es in den Fotoserien, die sich mit airbnb und Startup-Unternehmen beschäftigen. In ihnen spiegelt sich die Frage wider, wie sich die Vorstellung von Mobilität und Kreativität in Arbeits- und Lebensräume einschreibt, im Selbstverständnis und im Stadtbild manifestiert.

Bei Flaka Haliti bekommt Zugehörigkeit eine weitere Bedeutung. In ihren Installationen setzt sie sich mit Grenzen auseinander, die Staaten und Menschen voneinander trennen, die politisch gesetzt und militärisch bewacht sein können oder aber entlang von privaten und sozialen Beziehungen verlaufen und kaum merklich immer wieder neu gezogen werden. Ihr Interesse richtet sich gleichermaßen auf Prozesse der Migration und auf den Status der Künstlerin, des Künstlers. Während sie den Konflikt von Freiheit und Einschränkung, Anerkennung und Erduldung thematisiert, legt sie auch das komplizierte Verhältnis von Sehnsucht, Erwartung und Missverständnis in zwischenmenschlichen Relationen offen.

Der Einfluss von Kommunikationsmedien darauf, wie Menschen einander erleben, was sie einander mitteilen, welche Bedeutung dabei entsteht und verloren geht, beschäftigt auch Hanne Lippard. In ihren Performances, Video- und Soundinstallationen ist ihre Stimme das wichtigste Ausdrucksmittel. Sie arbeitet mit Wiederholung und Differenz, Gleichklang und Variation und erzeugt dabei einen Resonanzraum, der die angehäuften, rhythmisch angeordneten Silben und Wörter in eine Art mechanische Stimme umwandelt. Der freie Fluss von Klängen, Sinn und Widersinn markieren die Eckpunkte, zwischen denen sich die Künstlerin als Person und öffentliche Figur bewegt.

Der ars viva-Preis für Bildende Kunst wird vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e. V. seit 1953 jährlich an Nachwuchskünstler vergeben. Er wird nunmehr zum zweiten Mal in der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig (GfZK) präsentiert. In der großen Werkschau ars viva 2016 werden zentrale Arbeiten der diesjährigen Preisträger Flaka Haliti, Hanne Lippard, Calla Henkel & Max Pitegoff gezeigt.

Mit freundlicher Unterstützung von

des Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e.V.. Die Stiftung Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig wird durch den Förderkreis der GfZK Leipzig, die Stadt Leipzig und das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert. Sie wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtages beschlossenen Haushaltes.

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